„Hast Du gegessen?“ – diese vermeintlich unscheinbare Frage hat in der koreanischen Kultur eine tiefere Bedeutung, als anfangs zu vermuten ist. So wird nicht nur gefragt, ob die Person Nahrung zu sich genommen hat, sondern es ist etwa gleichbedeutend mit „Hallo“, „Guten Tag“ oder auch „Wie geht es Dir?“. Genau das war die zentrale Fragestellung des diesjährigen koreanischen Filmfests in Hamburg. Im Mittelpunkt stand nämlich die signifikante Bedeutung des Essens in der koreanischen Kultur.
Im Rahmen des diesjährigen Korea Festivals, welches von der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft Hamburg (DKGH) veranstaltet wurde, fand vom 25. - 27.10 bereits zum vierten Mal in Kooperation mit dem Metropolis-Kino das dazugehörige Filmfest statt.
„Ich denke, dass die Frage nach dem Essen in Korea eine vielschichtige Bedeutung hat. In Korea glaubt man, dass viele Probleme durch Essen gelöst werden können oder, dass Essen beim Lösen von Problemen hilft. Die Frage signalisiert also unter anderem die Bereitschaft, den Sorgen des anderen zuzuhören. Insbesondere wird gemeinsames Essen nach einem Streit als eine Geste der Versöhnung betrachtet. Dabei legt eine Person der anderen mit Stäbchen Banchan (verschiedene Beilagen) in die Reisschale, was einer Versöhnung gleichkommt, ohne dass darüber diskutiert werden muss, wer schuld am Streit ist.“ so Dr. Myong-Sook Park, Vorstandsmitglied der DKGH.
Die vorgestellten Filme
The Wandering Chef (밥정, 2019) von Hye-Ryeong Park
Der bekannte Koch Jiho Lim, auch bekannt unter dem Namen „The Wandering Chef“, reist durch ganz Korea. Seine Mission: Natürliche Zutaten mit heilenden Eigenschaften ausfindig machen. Während seiner Reise durschreitet er diverse Landschaften, trifft auf unterschiedliche Menschen und kocht für zahlreiche Gemeinschaften. Sein Supermarkt: Die Natur. Lim hatte eine ungewöhnliche Kindheit; die Natur war ein ständiger Begleiter für ihn. Ein zentrales Thema des Dokumentarfilms, ist das Trauma des Kochs – keine Mutterfigur in seinem Leben zu haben, prägte ihn maßgeblich. Bis er auf einer seiner Reisen eine besondere Person trifft, die ihn zu einem bedeutenden Moment seiner Karriere führt.
Our Season (3일의 휴가, 2023) von Sang-Hyo Yuk
Am dritten Jahrestag ihres Todes darf Bok-Ja (Hae-Sook Kim) einen dreitägigen Urlaub auf der Erde verbringen. Ihr „Guide“ (Ki-Young Kang), der neu im Job ist, erklärt ihr die Regeln. Bok-Ja ist überglücklich, ihre Tochter Jin-Ju (Min-A Shin) endlich wiederzusehen. Zu Lebzeiten hat sie viel dafür getan, dass ihre Tochter beruflichen Erfolg findet – und das hat sich ausgezahlt. Jin-Ju hat es als Professorin an eine renommierte Universität in die USA geschafft. Die Freude hält nicht lange an: Auf der Erde angekommen, erfährt Bok-Ja, dass ihre Tochter in ihr ländliches Heimatdorf zurückgekehrt ist und dort ein Restaurant für Hausmannskost betreibt. Während Jin-Jus beste Freundin Mi-Jin (Bo-Ra Hwang) sie besucht, kommen beim Kochen der Gerichte alte Erinnerungen hoch.
A Leave (휴가, 2020) von Ran-Hee Lee
Der fristlos gekündigte Arbeiter Jae-Bok (Bong-Ha Lee) hat zusammen mit seinen ehemaligen Kollegen fünf Jahre lang an einem Sitzstreik teilgenommen. Nachdem die Gewerkschaft den Prozess bezüglich der Kündigungen verloren hat, entscheiden sich die drei Herren, ihren Sitzstreik für mehrere Tage zu unterbrechen. Jae-Bok fährt nach Hause – er ist alleinerziehender Vater und hat zwei Teenie-Töchter. Während seiner Streik-Pause fängt er einen Teilzeitjob in einer Möbelfabrik an, um Kleidung und Studiengebühren seiner Tochter finanzieren zu können. Entgegen seinen Erwartungen wächst seine Zufriedenheit mit der Arbeit und dem täglichen Leben mit seinen Töchtern. Lohnt es sich, den Streik fortzuführen?
Podiumsdiskussion
Im Anschluss an den letzten Film fand eine Podiumsdiskussion mit dem Filmwissenschaftler und Fellow der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Universität der Künste Berlin Dr. Sulgi Lie und Dr. Myong-Sook Park von der DKGH statt. Moderiert wurde die Runde von dem Podcaster und Journalisten Frank Joung, der für seinen Podcast „Halbe Katoffl“ bekannt ist. In einer interaktiven Diskussion, wurde gemeinsam mit dem Publikum die Essenskultur in Korea beleuchtet. Dr. Lie hat dabei einen wichtigen Punkt genannt; in westlichen Filmen werden die Schauspieler*innen kaum beim Essen gezeigt. Das ist bei asiatischen Filmen nicht der Fall. Dort wird oftmals auch die Zubereitung der Gerichte gezeigt. „Essen ist ein Gefühlsmedium“, so der Filmwissenschaftler. Er erklärte auch, warum die Frage „Hast Du gegessen?“ anstelle von „Wie geht es Dir?“ genutzt wird – dies hat mit der konfuzianischen Kultur des Landes zu tun. In Korea werden selten direkte Fragen gestellt, vielmehr wird über Umwege gefragt, so wie auch in diesem Fall. Eine deutsche Zuschauerin war überrascht über den fünfjährigen Sitzstreik im Film, daraufhin erklärte Dr. Park, dass Koreaner*innen Weltmeister im Streiken sind. Jahrelange Streiks seien dort keine Seltenheit.
Insgesamt war das diesjährige Filmfest ein voller Erfolg. Es wurden drei interessante Filme gezeigt, die zu den gut besuchten Veranstaltungen im Metropolis-Kino führten. Abgerundet wurde das Filmfest mit der Podiumsdiskussion, bei der hochkarätige Teilnehmende die Bedeutung von Essen in der koreanischen Kultur beleuchteten.
How about this article?
- Like14
- Support0
- Amazing1
- Sad0
- Curious0
- Insightful0